Kuh und Kalb – eine einzigartige Bindung

Die Bindung zwischen Kuh und Kalb

Wenn eine Kuh ein Kalb auf die Welt bringt, beginnt eine intensive Bindung zwischen der Mutter und ihrem neugeborenen Baby. Wie sicher viele wissen, wird diese Bindung in der Milchviehhaltung durch die Trennung verhindert. Aber bevor wir über die Trennung sprechen, geht es hier um die Bindung zwischen Kuh und Kalb wie sie ist, wenn beide gesund sind und ihr natürliches Verhalten ausleben können.

In der Natur sucht sich die Mutterkuh vor der Geburt ein ruhiges, sicheres Plätzchen, abgeschieden von der Herde auf, um dort ihr Kalb auf die Welt zu bringen. In diesem geschützten Bereich beginnt nach der Geburt auch die von der Mutter ausgehende Prägephase. Die Kuh fängt an ihr Kalb intensiv abzulecken und gibt dabei ein tiefes, brummendes Muhen von sich. Es kann auch sein, dass die Kuh das Kalb ein wenig schubst und es dadurch angeregt wird aufzustehen. Steht das Kalb einmal, wird das Euter aufgesucht und es bekommt dort die an die in der Umgebung angepasste Biestmilch. Wenn das Kalb trinkt, steht es in entgegengesetzter Richtung, parallel zur Mutter. Die Kuh beriecht dann ihr Kalb und leckt auch am After und regt so zum Harnen und zum Absetzten des Kälberpechs (dem ersten Kot) an.

In den ersten Lebenstagen schlafen die Kälber sehr viel. Die Kuh geht immer wieder zum Fressen fort und kommt dann wieder an das ausgesuchte ruhige Plätzchen zurück. Sie kann in dieser Zeit sehr aggressiv sein und beschützt ihr Kälbchen mutig.  Sie beleckt und bebrummt das Kalb außerdem immer wieder. Dadurch wird die Bindung immer weiter gefestigt, bis sich Kuh und Kalb dann nach circa drei Tagen an der Stimme erkennen. Die Kuh kann ihr Kalb auch am Geruch identifizieren. Das Kalb brauch dagegen ein wenig länger um seine Mutter am Geruch und am Aussehen zu erkennen.

Ist nach einigen Tagen die Bindung zwischen Kuh und Kalb dann aber stark genug, können sie zur Herde zurückkehren. Dort wird dann das Kalb in die Kindergartengruppe der Herde integriert und verbringt den Großteil der Zeit mit gleichaltrigen Spielkameraden. Die Mutterkuh sucht ihr Kalb trotzdem regelmäßig auf, um es zu Lecken und zu Säugen. Manchmal wird sie auch vom Kalb gerufen, wenn dieses hungrig ist.

Warum wird das Kalb häufig von der Mutterkuh getrennt?

In der Milchviehwirtschaft ist es üblich das Kalb direkt nach der Geburt von seiner Mutter zu trennen. Aber warum eigentlich?

Der wichtigste Grund für die Trennung ist wohl der wirtschaftliche Aspekt. Wenn eine Kuh ein Kalb bekommt, fängt sie an zu laktieren. Natürlicherweise würde das Kalb dann die Milch der Mutter trinken. Allerdings ist auf Milchviehbetrieben der Verkauf der Muttermilch die Haupteinnahmequelle, sodass man nicht möchte, dass diese vom Kalb weggetrunken wird.

Aber die Trennung hat auch ganz praktische Gründe. Zum einen wird so verhindert, dass Krankheitserreger von der Mutter auf das Kalb übertragen werden. Zum anderen ist die Fütterung der Kälber viel einfacher zu beeinflussen und zu bestimmen, wenn sie per Eimer oder Tränkeautomat gefüttert werden. Denn nicht jede Kuh hat dieselbe Milchmenge oder gleichgute Milchinhaltsstoffe, sowie einen ausreichenden Mutterinstinkt. Daher kann durch die Milchtränke per Eimer oder Automat eine gute und konstante Versorgung der Kälber gewährleistet werden. Auch ist der Stall meist einfach nicht für ein Zusammenleben von Mutterkuh und Kalb ausgelegt.

Es gilt je früher nach der Geburt die Trennung erfolgt, desto besser ist es. Denn die Mutter-Kind-Bindung ist dann noch nicht stark ausgeprägt. Das Kalb hatte noch nicht die Möglichkeit seine Mutter kennenzulernen, kann sie somit auch nicht vermissen und für die Kuh ist es dann einfach so, als wäre ihr Kalb tot.
Allerdings ist der Mutterinstinkt je nach Kuh und Rasse unterschiedlich stark ausgeprägt. Wenn dann beispielsweise das Kalb in der Nacht geboren ist und schon einige Stunden bei der Mutter war bis sie morgens getrennt werden, ist der Trennungsschmerz unter Umständen schon enorm groß. In diesem Fall kann es sein, dass die Kühe tagelang nach ihren Babys rufen.

Bei den Kälbern hat die Trennung von der Mutter oft Fehlverhalten zur Folge. Dass Kälber am Finger nuckeln und permanent den Kontakt zum Menschen suchen, ist sehr unnatürlich. Sie suchen Nähe, die sie von ihrer Mutter nicht bekommen können. Wenn Kälber mit ihren Müttern aufwachsen, sind sie meist sehr scheu gegenüber dem Menschen. Die Kuh Mamas beschützen ihre Kälber vehement, sie schlecken ihre Kälber regelmäßig und gesaugt wird nur am Euter.

Außerdem fehlt den Waisen Kälbern der Umgang mit erwachsenen Kühen, durch welchen sie Sozial- und Konfliktverhalten lernen würden.

In den meisten Fällen werden Kuh und Kalb aber auch getrennt voneinander gut leben können. Es liegt an uns zu hinterfragen, ob ein Schuss Milch im Kaffee oder eine Scheibe Käse auf dem Brot es rechtfertigen Kuh-Müttern jedes Jahr aufs Neue ihr Kalb wegzunehmen. Und auf der anderen Seite den Kälbern die Liebe ihrer Mutter zu verwehren.

Einige Minuten nach Rias Geburt. Rubi und Ria lernen sich kennen:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert